HCT und Hautkrebs

22.12.2025

Jahrelang war das HCT das meist verschriebene Diuretikum zur Blutdrucksenkung, es ist in vielen Kombinationspräparaten enthalten.

Es muss ungefähr 2016 gewesen sein, als ich Claudia, meiner Sportkameradin im Rückenkurs, das HCT aufgeschrieben hatte. Claudias Katze war verschwunden. Ausgebüchst, und nirgends zu finden. Steffen, ihr Sohn war von seiner Freundin verlassen wurden und Claudia machte sich Sorgen um ihn. Der Blutdruck war außer rand und Band.

"Hat das Zeug Nebenwirkungen?", fragte Claudia.

"Man sollte die Nierenwerte und die Blutsalze wie Natrium und Kalium etwas im Blick haben", sagte ich. "Ansonsten ist das Medikament seit den 50iger Jahren auf dem Markt. Ist so alt wie die Musik von Elvis Presley. Ich glaube, da kennen wir alle Nebenwirkungen."

Es warein Schock für Ärzte, die jahrelang HCT verschrieben hatten und natürlich für die Menschen die HCT eingenommen hatten, als 2018 eine Studie vermuten ließ:

"HCT erhöht vermutlich das Risiko für weißen Hautkrebs etwas."

Die dänische Registerstudie von Pedersen et al. (2018), legte nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen der Langzeitanwendung von Hydrochlorothiazid und einem erhöhten Risiko für Basaliome und Plattenepithelkarzinome gibt. (Weitere Studien konnten diesen vermuteten Zusammenhang nicht immer bestätigen.)

Ich sah die Menschenschlange in bunten Mänteln und mit besorgten Gesichtern schon als ich mich über den Hintereingang hereinschlich. Es war ein normaler Mittwoch im Oktober 2018. Was war los? Claudia stand auch bei den bunten Mänteln, ihre rote Jacke hatte ich sofort erkannt.

"Weißt du, dass mein Bruder mit 36 Jahren an einem schwarzen Hautkrebs gestorben ist?" fragte sie, als sie neben mir saß. "In der Sendung "Visite" haben sie gestern gesagt, dass Leute, die das Elvis-Presly-Medikament, dass du mir verschrieben hast, einnehmen, häufiger Hautkrebs kriegen. Ich hab jetzt alle meine Blutdruckmedikamente abgesetzt."

"Claudia, du weißt, dass ich dir nur Medikamente aufschreibe, die ich selbst einnehmen würde! Diese Nebenwirkung war, als ich dir das Elvis-Presley-HCT verschrieben habe, wirklich noch nicht bekannt. Anfang Oktober wurde eine große dänische Studie veröffentlicht. HCT begünstigt wahrscheinlich weißen Hautkrebs, den man gut behandeln kann, wenn man ihn rechtzeitig entdeckt. Du brauchst keine Angst zu haben, an Hautkrebs zu sterben. Darf ich dir das alles einmal ausführlich erklären?

HCT scheint eine photosensibilisierendes Eigenschaft zu haben. Das heißt, dass das Medikament die Haut empfindlicher gegenüber UV-Strahlung macht. Die Theorie ist folgende: HCT lagert sich in der Haut ein. Bei Sonnenbestrahlung absorbiert das HCT in der Haut das Sonnenlicht und begünstigt die Bildung von Sauerstoffradikalen. Die freien Radikale führen zur Veränderung der DNA der Hautzellen. Das kann möglicherweise die Entstehung von weißem Hautkrebs begünstigen, insbesondere bei Menschen, die längere Zeit höhere Dosen HCT eingenommen haben."

"Was heißt eine hohe Dosis? Wie lange muss man es einnehmen bis was passiert?"

"In der Studie wurde eine Menge von 50 000 mg HCT als Grenzwert angegeben. Wenn du täglich 25 mg HCT einnimmst, ist diese Menge nach ungefähr 5 Jahren erreicht."

"Für mich ist das so ein Schock! Ich habe die Nacht nicht geschlafen. Du weißt, was ich mit meinem Bruder durch habe!"

Krebs? Hilfe! Wie gefährlich ist das?

"Claudia, ich verspreche dir, dass du nicht wegen dem Elvis-Medikament an Hautkrebs sterben wirst. Erstens verursacht das HCT keine Melanome, also keinen schwarzen Hautkrebs.

Das HCT begünstigt nicht so gefährliche Basaliome und Plattenepithelkarzinome. Basaliome werden auch als weißer Hautkrebs bezeichnet. Sie bilden keine Metastasen, also keine Tochtergeschwülste. Auch Plattenepithelkarzinome der Haut bilden nur selten Tochtergeschwüre. Wenn man den weißen Hautkrebs rechtzeitig behandelt, macht er wenig Ärger.

Mein Vater hat mit 60 Jahren ein Basaliom an der Stirn bemerkt. Sein Hautarzt hat es wunderschön wegoperiert. Ich sehe inzwischen nicht einmal mehr die Narbe. Meine Mutter hatte mich gefragt, ob ich sehe, was sie da am Rücken juckt, als sie 72 Jahre alt war. Es war ein größeres Basaliom, das sie selbst nicht gesehen hatte. Es wurde operativ entfernt und fertig. Keiner von beiden hat eine Wassertablette eingenommen. Dadurch, dass wir älter werden bekommen bis zu 10% aller Menschen ein Basaliom, 1 % ein Plattenpithelkarzinom der Haut.

Statistisch sieht das so aus: Ohne HCT bekommen von 100 Menschen 10 ein Basaliom und einer ein Plattenepothelkarzinom. Wenn die dänische Studie genau so hinkommt, dann würde HCT das Risiko erhöhen, so dass statt zehn Personen 13 Menschen ein Basaliom bekommen und statt einer Person sieben Leute ein Plattenepithelkarzinom entwickeln.

"Das sind schon recht hohe Zahlen!"

"Ab 35 Jahren haben wir alle einen Anspruch auf ein Hautkrebsscreening alle zwei Jahre. Da werden schon kleine Befunde entdeckt. Kleine Stellen werden nur vereist, oder mit speziellen Cremes behandelt. Der Hautarzt kann größere Befunde wegoperieren. Und du kannst ja auch etwas machen: Sonnenschutz hilft und ist wirklich für uns alle wichtig! Aber lass uns deine Medikamente umstellen."

Welche Vorbeugungsmaßnahmen kann man ergreifen?

  • Sonnenschutz verwenden! Täglich einen breitbandigen Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor (mindestens SPF 30, besser SPF 50), der sowohl vor UV-A als auch UV-B-Strahlung schützt. Ich verwende eine Tagescreme mit Sonnenschutz, auch im Winter!
  • Direkte Sonneneinstrahlung vermeiden, insbesondere zwischen 11 und 15 Uhr, wenn die UV-Strahlung am stärksten ist. (Schattenplätzen suchen und die Haut zusätzlich durch Kleidung schützen, ja auch Hüte und Sonnenbrillen schützen wunderbar).
  • Haut regelmäßig untersuchen: Überwache deine Haut regelmäßig auf Veränderungen wie neue Muttermale, Hautverfärbungen oder ungewöhnliche Flecken.
  • Vereinbare mindestens alle zwei Jahre dein Hautkrebsscreenings beim Dermatologen, egal, ob du Diuretika einnimmst oder nicht.
  • Vermeide Solarien!

Patienten, die HCT einnehmen, sollten über das mögliche Risiko informiert werden und Maßnahmen zum Sonnenschutz ergreifen. Ärzte sollten das Risiko bei der Entscheidung für eine langfristige Behandlung mit HCT berücksichtigen. Bei Patienten, die bereits ein erhöhtes Risiko für Hautkrebs haben sollten eventuell andere Medikamente eingesetzt werden.

"Die Wassertablette hat meine Blutdruck doch ganz prima gesenkt", sagte Claudia. "Und die krassen Ausreißer bei Stress sind auch nicht mehr so aufgetreten. Weißt du, dass Steffen eine neue Freundin hat? Eine junge Hautärztin, witzig oder? Gibt es nicht eine andere Wassertablette, die keine Hautsachen macht?"

"Na dann ist dein Hautsreening ja schon gebongt! Es gibt zwei andere Medikamente: Das Chorltalidon und das Indapamid. Für beide gibt es keine gleich guten Studien, wie für HCT, die auf einen Zusammenhang mit Hautkrebs hinweisen. Trotzdem ist von beiden Substanzen bekannt, dass auch sie die Haut empfindlicher gegen Sonnenlicht machen können. Es könnte also eine ähnlich erhöhtes Risiko geben. Deshalb sollten Menschen, die Chortalidon oder Indapamid einnehmen, auch auf Sonnenschutz achten und alle zwei Jahre zum Hautscreening gehen (wie wir alle).Sonst könnte man noch auf das stärker Wasser-treibende Torasemid umstellen, das ist eine ganz andere Substanzgruppe, ein Schleifendiuretuikum."


Möglichst niedrige Dosen

Bei HCT, Indapamid und Chortalidon sollten möglichst niedrige Dosen gewählt werden. Die niedrigste Standartdosis bei Chlortalidon ist täglich 12,5 mg. Bei Chlortalidon ist bei uns Frauen aber oft bei einer Einnahme von 12, 5 mg 3 x pro Woche (zum Beispiel montags, mittwochs, freitags) schon eine sehr gute blutdrucksenkende Wirkung zu erreichen, wegen der langen Halbwertszeit dieses Medikamentes.

Frauen, deren Blutdruck besonders gut auf Diuretika anspricht, reagieren oft auch besonders gut auf eine sehr salzarme Ernährung. Oft wird bei einer sehr salzarmen Ernährung (<2g Salz pro Tag) das Diuretikum zusätzlich gar nicht mehr gebraucht.

Dadurch, dass in der warmen Jahreszeit der Blutdruck oft etwas tiefer ist bei uns Frauen, kann man bei manchen Frauen im Sommer das Thiazid-Diuretikum zur Blutdrucktherapie pausieren.

Claudia entschied sich nach einem Gespräch mit der Freundin ihres Sohnes weiterhin ein Diuretikum einzunehmen (Julia ist doch die junge Hautärztin). Claudia achtet jetzt auf eine salzarme Ernährung. Beruhigend fand sie auch, dass die europäische Gesellschaft für Kardiologie Diuretika nach wie vor als Erstlinien-Blutdruck-Medikamente empfiehlt ("Dann kann das nicht so furchtbar schlimm sein, das Elvis-Medikament!"). Statt dem HCT hatte ich Claudia Chlortalidon verordnet. Die Einnahme von Chlortalidon hält bei Claudia die Blutdruckwerte im Zielbereich. Nur mit ihrem ausdosierten Kombinationspräparat (aus Sartan und Calciumantagonist) waren diese guten Werte nicht zu erreichen gewesen. Claudia benutzt jetzt immer eine Tagescreme mit hohem Lichtschutzfaktor und geht zuverlässig zum Haut-Screening.